Indien? Indien!
Obwohl ich schon viel gereist bin, hatte ich mich bisher nicht nach Indien getraut...
Daher nahm ich das Angebot eines PR-Kollegen sehr gerne an, sich gemeinsam mit einer Gruppe zunächst die Förderschule anzusehen, die im Rahmen der Restcentaktion der Blindeninstitute unterstützt wird und anschließend noch einen kleinen Teil Südindiens zu erkunden.
Eine Entscheidung, die ich trotz gesundheitlicher Probleme bei der Rückkehr nicht bereut habe!
Der Flug von München über Muscat nach Indien ist schnell erzählt:
Nach einer kurzweiligen, aber dennoch langen Reise trafen
wir schließlich in Chennai, dem ehemaligen Madras ein.
Das Ziel war eigentlich klar definiert: Einreiseformalitäten
erledigen, Koffer finden, Geldautomaten entleeren und ein Taxi finden, dass uns
zu unserer Unterkunft fährt.
Knapp 2 Stunden später saßen wir dann auch in einem
Prepaidtaxi und der Fahrer telefonierte mit Pfarrer Doss, der sich den ersten
Tag um unsere Gruppe kümmerte.
So kam es, dass wir nicht in unser Guesthouse fuhren,
sondern in ein original indisches Restaurant, das sich allerdings als
Steakhouse herausstellte, indem die Kellner lustige Cowboyuniformen trugen und
in dem es dennoch sehr leckeres indisches Essen gab.
Hier trafen wir auch
endlich unsere Mitreisenden, die schon einen feuchtschwülen Tag hinter sich
hatten und froh waren, dass wir endlich
da waren und wir alle essen konnten.
Die Nacht verbrachten wir im Don Bosco Gästehaus, mit
einfachen, sauberen Zimmern, aber ohne Wasser, also wirklich ohne. Das heißt
weder Toilettenspülung, noch Waschbecken noch Dusche…
Ich hatte Glück und in meinem Raum stand noch ein voller
Plastikeimer, sodass ich morgens mit einem kleinen Becher duschen konnte.
Wenn Sieben eine Reise machen
Am nächsten Morgen ging es um 6.30 Uhr los. Pater Doss
begleitete uns glücklicherweise, denn eine indische Zugfahrt inklusive
vorherigem Bahnhofsbesuch ist wirklich eine intensive Erfahrung. Aber Pater Doss führte uns souverän und sicher
durch das laute, geruchsintensive Gewimmel.
Sehr überraschend fand ich das System der Zug Reservierung:
Wir hatten fest gebuchte Plätze und als wir an unserem Wagon ankamen hing da
ein Zettel allen Namen der heutigen Reisenden in diesem Zug und es war schon
lustig, meinen eigenen Namen dort zu entdecken.
Die Zugfahrt war sehr kühl
und unterhaltsam und nach 3,5 Stunden kamen wir pünktlich in Jouarerai an und besuchten erstmals die Schule von Pater Doss,
dann ging es nochmal 1,5 Stunden auf abenteuerlichen Straßen weiter nach
Jawadhi Hills, wo wir drei Tage blieben.
Jawadhi Hills
Wir wurden sehr nett empfangen und die ganze Zeit liebevoll
umsorgt. Valsa und Pushdam hatten sich
im Vorfeld viele Gedanken darüber gemacht, was und wohl schmecken würde,
wieviel Chili wir vertragen könnten und sich vorgenommen, dass niemand
Magenkrank wird. Ein großes Ziel, für die ersten Tage in Indien mit
europäischem Magen, aber sie haben es erreichtJ.
Unsere Unterkunft, war einfach, aber dennoch überraschend sauber und gut ausgestattet
Sneha Jyoti Special School in Jamunamarathur
In der Schule, werden 50 Kinder mit geistiger Behinderung
betreut und gefördert. Geleitet wird sie von zwei Schwestern des Salesianer Ordens Valsa und
Pushdam, die dort ihren eigenen Minikonvent haben.
Die Schüler werden individuell gefördert, es wird viel
gesungen und motorische Übungen gemacht. Sehr wichtig ist auch der Bereich der
Selbstversorgung. Hier lernen die Kinder unter anderem das Zähneputzen und den
Toilettengang, der ja gerade in Indien nochmal eine ganz besondere
Herausforderung ist…
Die Mitarbeiter der Blindeninstitute unterstützen die Schule
im Rahmen der Restcentaktion finanziell. So wurden in den letzten zwei Jahren
unter anderem ein spezielles Toilettentrainingshaus, ein großer, neuer
Sportplatz, sowie eine Hasen- und Pilzzucht mit unserer Unterstützung gebaut.
Wir alle hatten in Absprache mit den Schwestern kleine
Geschenke, wie zu Luftballons oder Seifenblasen mitgebracht und es war eine
große Freude diese mit den Kindern auszuprobieren.
Wir hatten aber nicht nur Spielsachen, sondern auch Heiner,
einen BIM-Mitarbeiter und Zauberer im Gepäck, der für die Kinder eine kleine
Vorstellung gab. Mit großen Augen bestaunten die Schüler und noch viel mehr die
Betreuer die großen und kleinen Wunder, die dort auf der Bühne passierten.
Ferner besuchten wir einen Dorfmarkt,
einen Wasserfall
und
eine weitere Schule der Salesianer, hier hatte unser Zauberer nochmal einen bejubelten Auftritt
Der Pater hatte extra für uns Bier besorgt, und war sichtlich stolz, dieses anzubieten.
Die drei Tage in den Bergen waren intensiv, herzlich, bunt,
interessant und lecker und ich werde sie bestimmt nie vergessen.
Bangalore
Nach den friedlichen Tagen in den Bergen war der
Großstadtschock umso größer.
Wir fuhren ganz alleine mit dem Zug weiter nach
Bangalore, ausgestattet nur mit einer
Menge Wehmut und einem Lunchpaket vom Feinsten mit Chappatis, Bananen,
Erdnüsse, Keksen und Datteln, das uns Schwester Valsa mitgegeben hatte.
Unsere Zeit ist schnell erzählt: Es war voll, laut und
geruchsintensiv, wir waren Shoppen und Essen und am nächsten Tag Sightseeing,
bevor es nachmittags mit dem Flugzeug an die Küste nach Kochi ging.
Kochi
Nun konnte der Urlaub beginnen. Wir machten uns auf den Weg in den Bundesstaat Kerala an der Südwestküste
Indiens.
Zunächst flogen wir nach Fort Kochi. Das gemütliche
Städtchen mit imposanten, portugiesischen und holländischen Häusern aus der
Kolonialzeit ist in der Hauptsaison bestimmt ein Touristenmagnet.
Erst nach der Buchung kam uns die nasse Erkenntnis, dass wir
zwar auch in einer bestimmten Saison dort sein würden, allerdings nicht in der
Haupt- sondern vielmehr in der Monsunsaison dort sein würden.
Vor der Reise überlegte ich mir die richtige Ausrüstung…
Gummistiefel? Regenmantel? Paddelboot? Schirm? Gar nichts?
Ich entschied mich für Trekkingsandalen und einen „Instant-Festival-
Plastikmantel“. Dankbar nahm ich auch noch einen Regenschirm an, der mir von
David, dem Besitzer unserer Unterkunft angeboten wurde.
So war ich so gerüstet, wie man bei einem Monsunschauer nur
sein kann. Nass wurde ich trotzdem
Wir hatten aber Glück, es schüttete immer wieder, so richtig
nass (kalt war es nicht wirklich) hat es uns aber nur einmal, ansonsten saßen
wir entweder im Auto, im Tuk Tuk, auf dem Boot, beim Essen, beim Einkaufen, im
Palast oder auch einfach nur „daheim“ im Bett.
Backwaters
Von Kochi aus unternahmen wir einen 3-Tagestrip, der uns
zunächst auf ein Hausboot in den Backwaters führte, wo wir einen wunderbaren
entspannten Tag, einen feuchtfröhlichen Abend, eine eiskalte Nacht, sowie einen
schönen Morgen verbrachten. Quasi einen Kurzurlaub von der Reise.
Periyar
Nun wollten wir weiter in den Periyar Nationalpark.
Das waren nur ca. 150 km, diese dauerten aber leider po-belastende 5 Stunden.
Einzig die schöne und abwechslungsreiche
Landschaft machte es etwas erträglicher.
Am nächsten Tag machten wir uns auf in den Nationalpark. Wir
hatten die Wahl zwischen einer asphaltierten Straße und einem Djunglewalk. Als echte Abendteuer entschieden wir uns
natürlich für die zweite Variante, trotz Warnungen im Reiseführer, dass gerade
in der Regenzeit Blutegel unterwegs
wären…
Da es aber gerade nicht regnete, dachten wir der Weg sei
ungefährlich. Er machte auch wirklich Spaß, wir sahen ein Rieseneichhörnchen,
Rehe, Wildschweine und einige Vögel.
The Beast
Doch auf einmal ein Schrei: Eine Mitreisende hatte einen
Blutegel entdeckt, der gerade an ihrem nackten Trekkingsandalenzeh andocken wollte. Wir blieben stehen und
auch die Münchner Kollegin entdecke zwei Tiere an ihren Socken. Alle wollten
helfen, doch auf einmal hörte man nur noch:“ ich habe auch einen!“, „ da ist
noch einer!“, „mach das weg“ und „igittigitt“ es folgte ein kurzer, panischer Sprint
die 50 Meter zurück zur Straße und dort ein vermutlich traditioneller, für Außenstehende
bestimmt lustiger „Kampf-den-Blutegeln-Tanz“. Alle hatten mindestens 5
Tiere, die sich ihren Weg zur Blutbahn
suchten, noch schien es aber so, als hätten wir alle erledigt.
Es ging weiter auf der asphaltierten Straße, jeder erzählte
noch mal von dem grad erlebten Abenteuer, freute sich überlebt zu haben und
lobte die Erfindung des Teers.
Ganz unbeschadet gingen wir bzw. ich allerdings nicht aus
diesem Kontakt mit der wilden Tierwelt. Ca. 15 Minuten später entdeckte ich nämlich
einen schon halb gefüllten Blutegel in meiner rechten Armbeuge.
Ich sprintete los in eine dunkle Ecke, die sich als Souvenirladen
entpuppte, zog mein langärmliges Hemd über den Kopf und streckte der verwundert
dreinschauenden Verkäuferin meinen Arm entgegen mit den Worten: „Please help!“.
Sie nahm ein Stück Zeitungspapier und zog den Egel beherzt heraus.
Durch diese Notoperation blutete die Wunde noch ca. 1
Stunde, aber ich wurde zunächst herzlich von zwei Indern versorgt, die mir kleine
Zeitungspapierstücke auf die Wunde klebten und anschließend mindestens ebenso
herzlich von meinen Mitreisenden, nun mit Desinfektionsspray und antiseptischen
Pflaster ;-).
So verging für die Meisten die Wartezeit bis unser Boot
ablegte schnell und unterhaltsam.
Bootsfahrt
Beim Boot begegnete uns mal wieder die immer wieder präsente
indische Bürokratie: Für eine einstündige Fahrt auf einem vor 100 Jahren
künstlich angelegten See mussten wir zunächst nach Frauen jeder ein Formular
mit unseren Daten ausfüllen, einzeln anstehen, Kameras vorzeigen und ggf. extra
bezahlen, Parkeintrittskarte erneut vorzeigen und dann, aber auch erst dann
bekommt man seine persönliche Bootskarte mit Namen und zugeteiltem Platz, den
man dann aber auch unbedingt einnehmen muss. Die Fahrt war trotz einsetzendem Regen
sehr schön und wir sahen viele Vögel und ein paar andere Tiere.
Abends konnten
wir dann sogar das WM-Spiel Deutschland-Portugal auf einem alten
Röhrenfernseher im Hotelzimmer sehen und sogar etwas Bier konnten wir
auftreiben.
Endspurt
Die letzten Tage sind schnell erzählt: Viele Stunden im
Auto,
ein netter Kochkurs in Kochi,
der Beginn einer fiesen Bronchitis, die mir
einen furchtbaren Rückflug und auch noch zu Hause viel Freude bescherte.
Dennoch war es eine wunderbare, spannende, bunte und schöne
Reise, die ich bestimmt nie vergessen werde! Vielen lieben Dank an die beste
Indien-Reisegruppe, die ich mir wünschen konnte!